4 - Die Reise

Dokumentation

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Die Reise


Ende Oktober 1921 stellte sich im Hafen von Santos eine Einwanderergruppe von 77 Personen für den Fotografen in Positur. Es waren Familien und Einzelwanderer aus Vorarlberg, die mit dem Dampfer "Garibaldi" der "Transatlantica Italiana" am 27. oder 28. Oktober in Santos angekommen waren. (10)

Die "Garibaldi"hatte Genua am 8. Oktober verlassen und in der Folge noch Gibraltar und Dakar angelaufen. Die Gruppe war dritter Klasse gereist. Am Mittwoch, dem 26. Oktober, dem vermutlich letzten Tag auf See, hätten sie nach Maßgabe des auf der Fahrkarte abgedruckten Speiseplans entsprechend dem ihre Schiffahrtsgesellschaft verpflichtenden italienischen "Legge sull' Emigratione" folgende Mahlzeiten verabreicht bekommen: ein knappes italienisches Frühstück mit Kaffee und Brot bzw. "Biscotti", dann ein Mittagsmahl bestehend aus Gemüsesuppe, Fleisch oder Stockfisch mit Kartoffeln, zu Abend zuerst Nudeln und Reis in Gemüsebrühe, dann gekochtes Fleisch mit Linsen, dazu einen halben Liter Rotwein. (11)

Es ist zwar nicht sicher, daß tatsächlich diese Mahlzeit ausgegeben wurde, doch dürften die Reisebedingungen m großen und ganzen erträglich gewesen sein. Die Auswanderer waren im Zwischendeck, dort wahrscheinlich in Kojen untergebracht. Pfarrer Meusburger aus Ebnit bei Dornbirn, der im Auftrag des Wanderungsamtes ein Jahr später die österreichischen Kolonisten in Brasilien besuchte, berichtete jedenfalls von durchaus zufriedenstellenden Bedingungen im Zwischendeck, wenngleich die Stimmung unter den Zwischendeckpassagieren nicht gut gewesen sei — Meusburger selbst reiste in der Kabine und führte die Unzufriedenheit auf eine allgemein gereizte Gemütslage und Kommunikationsschwierigkeiten mit der italienischsprachigen Besatzung zurück. (12)

Alois Schoder, ein Bauer aus Vandans im Montafon, der 1910 das erste Mal den Atlantik nach Südamerika überquert hatte — ihm wie auch Pfarrer Meusburger werden wir nochmals begegnen —, konnte sich mit dem italienischen Essen an Bord gar nicht anfreunden. Seinem Ausruf "Makkaroni, in Öl gekocht!" dürften sich wohl auch einige unserer Auswanderer angeschlossen haben. (13)

Johann Josef Mayer aus Göfis war im September 1925 mit seiner Frau Juliana Mayer und zehn Kindern im Alter von sechs Monaten bis fünfzehn Jahren nach Itararé ausgewandert. Sie reisten mit noch zwei Harder Familien in einer Gruppe von insgesamt 148 österreichischen Auswanderern auf Kosten des Staates São Paulo über Cherbourg nach Brasilien. In seinem Reisetagebuch (14) beschreibt er die Überfahrt – ihm, der seinen Auswanderungsversuch nach wenigen Wochen abbrach und schon Ende November wieder in Vorarlberg war, erschien sie im Rückblick besonders trist:

"... während der ganzen Fahrt konnten wir kein Fenster öffnen, da das Fenster mit dem Wasserspiegel parallel war. In den Räumen war nichts als eine Matratze und Polster auf einem Eisengestell, es ging auch die Dampfheizung durch unseren Raum, wir hatten auch noch das Glück grad ober dem Propeller zu sein. Es war ein schreckliches Geräusch... Morgens um 7 Uhr mußte alles aufstehen und auf das Verdeck hinauf,was man ja gerne machte, denn man brauchte wirklich frische Luft. Meiner Familie waren 9 Betten angewiesen worden, welche aber leider schon von Wanzen besetzt waren. Der Tageslauf auf dem Schiff war: 7 Uhr früh Tagwache, 8 Uhr Frühstück, 12 Uhr Mittagessen, 4 Uhr Tee mit Brot und Marmelade, 7 Uhr Abendessen. Essen war reichlich, für Kinder war Brot das beste und Kartoffel. ... Wir hatten das Vergnügen, auf dem Deck am Boden zu liegen oder spazieren, denn Bänke oder Stühle gab es für uns leider nicht."
1921 fuhren die nunmehr zu Einwanderern in das ihnen weitgehend fremde Brasilien gewordenen Vorarlberger samt ihrem umfangreichen Gepäck mit der Bahn von Santos nach São Paulo, wo sie vier Tage blieben, bevor sie am 1. November in der Bahnstation des kleinen, noch im Staate São Paulo, doch an der Grenze zu Paraná gelegenen Städtchens Itararé eintrafen. (15)
ZU KAPITEL 5
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