3 - Brasilien als Einwanderungs

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Brasilien als Einwanderungsland


Im Gegensatz zu Nordamerika war Lateinamerika kein "jungfräulicher Boden", denn hier gab es schon früher die europäische Landnahme. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die Masseneinwanderung ein. Das Land gehörte bereits Großgrundbesitzern und mußte von ihnen erworben bzw. zur Verfügung gestellt werden. Als Folge der Krise der Sklavenwirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Abschaffung der Sklaverei in Brasilien in zwei Schritten 1871 bzw. 1888) kam es zur Anwerbung von europäischen Einwanderern durch die Großgrundbesitzer mit Unterstützung des Staates bzw. der Bundesstaaten. (6)

Die europäische Einwanderung nach Brasilien erreichte im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts mit 1,4 Millionen ihren absoluten Höhepunkt und hielt sich noch bis 1930 auf ähnlich hohem Niveau (zwischen 630.000 und 840.000 pro Jahrzehnt). Dann ging sie deutlich zurück. Die größte Immigrantengruppe insgesamt waren die Italiener (1,5 Millionen), gefolgt von den Spaniern (680.000), den Japanern (190.000) und den Deutschen (190.000). (7) Die meisten Einwanderer gingen in die südlichen Gliedstaaten Brasiliens, die dadurch einen gravierenden ökonomischen, sozialen und kulturellen Wandel erlebten: einmal in Richtung einer Europäisierung, dann im Sinne einer Verschiebung der Sozialstruktur. Zwar beabsichtigte die in Brasilien herrschende Grundbesitzer-Oligarchie die Besiedlung ländlicher Gebiete, doch kam es durch Landflucht rasch zu einem großen Bevölkerungswachstum bzw. zur Zunahme der ökonomischen Bedeutung der Städte (v.a. São Paulo) und zu einem Anwachsen der städtischen Mittelklasse.

Die Immigranten kämpften um ihren Anteil am Gesamteinkommen, was zu einer partiellen Neuverteilung des Einkommens führte. Doch blieb die Einkommensverteilung extrem disproportional: In Brasilien bezogen 1944 5 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung 50 Prozent des verfügbaren Einkommens. Die Arbeiter, welche 24 Prozent ausmachten, bezogen 20 Prozent des Volkseinkommens, und die mit 71 Prozent überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, welche als Kleinbauern, Halbpächter und Landarbeiter in der Landwirtschaft arbeiteten, kamen gerade auf 30 Prozent. (8) In diesem Gefüge etablierten sich die meisten der aus industrialierten Gebieten Europas kommenden Einwanderer als eine neue städtische Mittelschicht in Südbrasilien. (9)
ZU KAPITEL 4
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