7 - Im Kaffee

Dokumentation

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Im Kaffee


Mathilde und Fritz Preiß bereisten zwischen September 1924 und April 1925 den Süden Brasiliens. Oktober und November 1924 sowie nochmals im April 1925 waren sie in der österreichischen Siedlung bei Itararé und besuchten ihre Tochter Theresia, die mit ihrem Mann Otto Mayer dort seit Juni 1923 siedelte. Im Zuge ihrer anschließenden Rundreise kamen sie auch auf zwei Kaffeefazendas, wo völlig unterschiedliche Verhältnisse herrschten. In ihrem Reisebericht "Brasilien als Asyl für Auswanderer deutscher Zunge" (Eigenverlag Bregenz 1925) berichten sie darüber. Die eine Fazenda wurde nach dem Parceria-Prinzip geführt, dem Prinzip der Ernteteilung zwischen Halbpächter und Gutsherr. Hier fand der Sozialdemokrat Preiß noch annehmbare Verhältnisse vor – allerdings nur für Spanier und Japaner, Deutschen riet er generell von der Kaffeearbeit ab. Die zweite von ihm besuchte Fazenda wurde nach dem Colonato-Prinzip geführt, (28) d.h. bezahlt wurde für die Pflege von Kaffeebäumen. Es stand schlimm um die Kaffeearbeiter auf "Villa Biella". Sie wurden schlecht bezahlt (nur 250 Milreis Jahreslohn pro 1000 Kaffeebäumen statt der üblichen 350 (29) ) und in einer Art von Schuldknechtschaft gehalten. Denn die Fazendeiros hatten den Einwanderern zumindest einen Teil der Reisekosten bevorschußt, kreditierten ihnen Lebensmittel, versorgten sie – in diesem Fall zu überhöhten Preisen – im eigenen Laden und verhinderten, daß sie ihnen wegliefen: (30) ein System der Abhängigkeit, das sich seit dem Ende der Sklaverei Mitte des 19. Jahrhunderts bis weit ins zwanzigste hinein hielt, Kaffeearbeit galt als Sklavenarbeit. (31) Im 19. Jahrhundert hatten Behörden und Regionalpresse vor betrügerischen Agenten und schlimmen Verhältnissen in Brasilien gewarnt. (32)
Preiß berichtet von einem dramatisch verlaufenen Treffen mit österreichischen Kaffeearbeiterinnen und Kaffeearbeitern auf der Fazenda "Villa Biella", die heftig über die Art ihrer Behandlung klagten. Einkäufe außerhalb der Fazenda würden mit Geldstrafen belegt, Briefe würden zensuriert, bei den überhöhten Preisen und der schlechten Entlohnung wüchsen trotz härtester Arbeit die Schulden an. Preiß informierte das österreichische und das deutsche Konsulat in São Paulo – mit Erfolg. Ihm wurde mitgeteilt, die Verwaltung der Fazenda sei nach einer Untersuchung der Verhältnisse ausgetauscht worden. Dennoch warnte er vor der Arbeit "im Kaffee", denn noch vor wenig mehr als 35 Jahren sei das Sklavenarbeit gewesen und dieser Geist der Sklaverei sei noch nicht überwunden. Aber immerhin könne nach brasilianischem Recht niemand gezwungen werden, auf die Kaffeefazenda zu gehen – trotz der freien Überfahrt und etwaiger in Österreich abgegebener Versprechungen. (33)

Der Altacher Richard Tiefenthaler berichtet, er und seine beiden Freunde Heinrich und Hans Plank aus Giesingen seien 1931 zur Zeit der Kaffeekrise in Brasilien angekommen, hätten aber dennoch im Kaffeeinstitut in São Paulo Arbeit auf einer Kaffeefazenda zugewiesen bekommen. Weil sie auf der Fahrt dorthin vor dem "Kaffeebaron" gewarnt wurden, nahmen sie die Arbeit nicht auf und versuchten sich als Kolonisten in einer neuen Kolonie im Staate São Paulo. (34)

Johann Josef Mayer schrieb in seinen Erinnerungen, ihn habe ein Agent noch auf dem Schiff angesprochen, der ihn und seine Familie für eine Kaffeefazenda gewinnen wollte. Der Agent war bereits im Besitz eines Fotos der Familie und zahlreicher Informationen, die ihm der Auswanderungsvermittler aus Wien zugesandt hatte. Johann Josef Mayer widerstand dem Anwerbedruck und bestand darauf, nach Itararé zu gehen – was auch anstandslos akzeptiert wurde. (35)

Aufgrund der Zwistigkeiten zwischen Rudolf Grabher und Alwin Klocker verschlug es eine zweite Einwanderungsgruppe aus Vorarlberg im Dezember 1921 auf eine Kaffeeplantage. In einem Brief nach Hause beklagte einer dieser Kaffeearbeiter sein Schicksal:

"Die Arbeit ist schwer, für Europäer unbeschreiblilch schwer; dazu kommt die Hitze, die man bei uns nicht kennt, nicht einmal im Hochsommer, und die Arbeitszeit dauert von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, mit einer Stunde Mittagspause, d.h. von 6 Uhr morgens bis 7 Uhr abends. Die meisten Einwanderer sind mehr oder weniger erkankt, sie haben unter dem Klima zu leiden. Manche werden vom Durchfall geplagt, andere bekommen Geschwüre und Augenleiden. Dann gibt es Sandflöhe, die heftige Schmerzen verursachen und Mücken, kaum zum Aushalten, und dazu noch viele andere unangenehme Dinge. Ich bin seit einigen Tagen zu Hause und leide an Rheumatismus und Kopfweh. Den Arzt, die Apotheke, das Essen und Trinken muß jeder selbst bezahlen; wer nicht arbeitet, d.h. wer erkrankt, erhält für diese Zeit keinen Lohn. Wenn man Geld hat, geht es an, hat man keins, muß man darben. ... Nie noch hatte ich in der Fremde ein solches Verlangen nach meiner teuren Heimat wie hier." (36)
ZU KAPITEL 8
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